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Wie kann ich eine Aktie bewerten? Aktienbewertung für Privatanleger nach Peter Lynch

peter lynch analyse alleaktien bewertung aktien Wie der Fonds-Milliardär Peter Lynch Aktien bewertet. Er gilt als der beste Fonds-Manager der Welt.
  • Warum Aktien analysieren? Damit wir eine Überrendite erzielen
  • Die Analyse einer Aktie schwierig: In diesem Beitrag stellen wir daher einfache Verfahren vor
  • Peter-Lynch-Methodik: Mit dieser Methode erzielte Peter Lynch während seiner Zeit als Fondsmanager unglaublich hohe Renditen. Er gilt als der beste Fondsmanager der Welt. Als Manager des Fidelity Magellan Fund erzielte er von 1977 bis 1990 über einen Zeitraum von 14 Jahren eine durchschnittliche, jährliche Rendite von unglaublichen 29,2 % und damit mehr als die doppelte jährliche Rendite des S&P 500 Index in diesem Zeitraum. Das von ihm verwaltete Vermögen wuchs in dieser Zeit von 18 Mio. USD auf 14 Mrd. USD heran.
  • Enorme Vermögenssteigerung: Die doppelte jährliche Rendite bedeutet im Zeitraum von 1977 bis 1990 aber nicht nur das doppelte Endvermögen. Da wir Menschen nicht exponentiell denken können, unterschätzen wir den Effekt des Zinseszins systematisch. Daher zeigt dir folgende Tabelle den Vermögenszuwachs von 10.000 USD von 1977 bis 1990 auf:
1977-1990 Rendite p.a. Aus 10.000 USD wurden
S&P 500 13,4 % 58.150 USD
Magellan Fund 29,2 % 361.140 USD

Warum kaufen wir Privatanleger Aktien?

Beginnen wir mit unserem Ziel: Der Rendite. Wenn wir eine Aktie kaufen, kaufen wir einen Anteil an einem Unternehmen. Der Wert eines Unternehmens ergibt sich aus all seinen künftigen zu erwartenden abdiskontierten Cashflows bzw. Gewinnen. Warum müssen wir abdisktonieren?

Nun ja, wir hätten alle lieber einen Gewinn sofort, als in der Zukunft. Denn dann könnten wir den sofortigen Gewinn erneut anlegen und so erneut von der Rendite profitieren. Gehen wir die Gedanken an einem Beispiel durch:

Zum Kaufzeitpunkt erwirtschaftet unser Beispielunternehmen einen jährlichen Gewinn von 100 Mio. EUR und wird an der Börse mit 1.000 Mio. EUR bewertet. Das KGV liegt also bei 10, weil wir den zehnfachen Jahresgewinn bezahlen. Als Investoren haben wir drei verschiedene Werttreiber, die für Rendite sorgen:

1) Eine Erhöhung der Gewinne bis zum Verkauf
2) Eine Erhöhung der Bewertung bis zum Verkauf
3) Die Dividenden während der Haltedauer

Ist eigentlich ja logisch. Nehmen wir im Folgenden an, wir verkaufen unser Unternehmen nach exakt 10 Jahren Haltedauer.

  • Gewinnwachstum: Steigen die Gewinne des Unternehmens während dieser 10 Jahre auf 200 Mio. EUR, und das KGV liegt immer noch bei 10, dann ist unser Unternehmen nun bereits 2.000 Mio. EUR wert und hat den Wert verdoppelt. Daher gilt zunächst einmal folgende Erkenntnis: Je höher das Gewinnwachstum, desto mehr Renditechancen bietet ein Unternehmen.
  • Änderung der Bewertung: Es kann aber auch sein, dass unser Unternehmen nach den 10 Jahren Haltedauer nicht mehr mit einem KGV von 10, sondern von 15 bewertet wird. Dann ist unser Unternehmen auf einen Schlag 3.000 Mio. EUR wert, und wir haben unseren Einsatz in den 10 Jahren bereits verdreifacht. Allerdings sind solche Veränderungen der Bewertung keine dauerhaften Werttreiber. Bei langfristiger Betrachtung schwankt die Bewertung nämlich generell um einen Mittelwert. Aber dennoch können wir Rendite generieren, indem wir Aktien möglichst immer dann kaufen, wenn die aktuelle Bewertung unter dem historischen Schnitt des Unternehmens liegt. Sobald die Bewertung wieder ansteigt, kommt es zum eben beschriebenen Kursgewinn. Für buy-and-hold-Investoren ist die Einstiegsbewertung beim Kauf zwar insofern nicht wichtig, weil ja eh kein Verkauf geplant ist. Aber dennoch gilt: Je tiefer der Preis, desto mehr Aktien gibt es für das gleiche Geld. Und desto mehr Dividenden gibt es für das gleiche Geld.
  • Dividenden: Weil unser Beispielunternehmen während den 10 Jahren jedes Jahr gutes Geld verdient, beteiligt es uns Investoren über eine Dividende an seinen Gewinnen. Das Unternehmen kann die Dividende zahlen, weil auch nach Erweiterung des Geschäfts ein Teil der Gewinne übrig ist und nicht im Unternehmen reinvestiert werden muss. Daher suchen wir Investoren stets nach Unternehmen, die für die Expansion des Geschäfts kaum Kapital benötigen. Dann können sowohl die Gewinne steigen und auch Dividenden bezahlt werden. Die Dividenden kommen auf die Rendite obendrauf.

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Ich fasse also nochmal zusammen: Kurzfristig verändern sich Aktienkurse zumeist, weil sich die Bewertungen verändern. War der Markt gestern noch bereit, das 15-fache eines Jahresgewinns für ein Unternehmen zu zahlen, kann es heute nur noch das 10-fache sein. Es kann also sehr sinnvoll sein, darauf zu achten, ob ein Unternehmen in seinem eigenen historischen Durchschnitt aktuell niedrig bewertet ist. Allerdings ist der Werttreiber einer Bewertungsänderung nur ein einmaliges Spiel. Nämlich dann, wenn es uns gelingt, eine Aktie mit einer günstigen Bewertung zu kaufen, und sich die Bewertung im Anschluss wieder an den historischen Schnitt annähert.

Nachhaltiger ist der Werttreiber Gewinnwachstum des Unternehmens. Mit steigenden Gewinnen wird das Unternehmen langfristig jedes Jahr wertvoller, weil ja eben die künftige Ertragskraft steigt. Dieser Werttreiber kann ein Unternehmen über viele Jahrzehnte um viele hunderte und tausende Prozente wertvoller machen.

Die Dividende ist ein oftmals unterschätzter Werttreiber. Studien sagen, dass bei ganz langfristiger Anlage rund die Hälfte des Vermögenszuwachses aus Dividenden stammt. Denn wenn Unternehmen derart viel Geld verdienen, dass sie ihre Aktionäre in Form einer Dividende daran beteiligen können, dann können wir Aktionäre mit den erhaltenen Dividenden weitere Aktien des Unternehmens kaufen und so steigt unser Anteil am Kuchen immer weiter an.

Im Idealfall suchen wir also nach Unternehmen, denen es gelingt, ihre Gewinne in der Zukunft möglichst stark zu steigern, die zugleich eine hohe Dividende ausbezahlen und deren Bewertung weit unter dem historischen Durchschnitt liegt. Diese Vorstellung bleibt in der Realität aber meistens eine Wunschvorstellung.

Bücher von Peter Lynch: "Der Börse einen Schritt voraus" ("One up on Wall Street")

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In seinem Buch "Der Börse einen Schritt voraus" erklärt Peter Lynch seine Anlagestrategie und wie er Aktien bewertet. Die nun folgenden Abschnitte beziehen sich auf sein Buch.

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Für alle, die der englischen Sprache mächtig sind: Kauf euch das Buch in seiner Originalversion, "One up on Wall Street". Ist nicht nur billiger, sondern es gehen auch keine Informationen bei der Übersetzung verloren. 100 % Lynch.

Die sechs Aktienkategorien nach Peter Lynch

Nun steigen wir tiefer in die Materie ein. Schau dir dazu meine beigefügte Grafik an, am sinnvollsten ist es wohl, wenn du diese vorab kurz ausdruckst.

Die Vorgehensweise von Peter Lynch ist genial. Bevor er mit der Bewertung loslegt, teilt er jedes Unternehmen in eine von drei Kategorien ein. Je nach Kategorie sind andere Kennzahlen und Verfahren wirksam. Gemäß Peter Lynch lassen sich alle Aktien in drei Kategorien einteilen: In Nicht-Zykliker, Zykliker und Asset Plays. Je nach Kategorie muss eine Aktie unterschiedlich bewertet werden.

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Nicht-Zykliker nach Peter Lynch

Beginnen wir mit der ersten Kategorie: Den Nicht-Zyklikern. Dies sind alle Unternehmen, deren Umsätze und Gewinne wie auf Schienen nach oben steigen. In der Praxis könnten das alle Unternehmen sein, deren Vorsteuer- und Vorzinsengewinn (EBIT) in den letzten Jahren niemals mehr als 50 % eingebrochen ist.

Prinzipiell sind Nicht-Zykliker daher viel interessantere Aktien als Zykliker, da die Gewinne viel konstanter und sicherer sind. Gegenüber Zyklikern ergeben sich entsprechend geringere Schwankungen bei Kursen und Dividenden. Durch stetig steigende Umsätze und Gewinne gewinnen die Unternehmen im Laufe der Zeit eben auch stetig an Wert. Das bedeutet aber nicht, dass auch die Kurse stetig steigen müssen. Denn es kann sich kurz- und mittelfristig eben auch nur das Bewertungsniveau ändern.

Kommen wir nun zu einer feineren Untergliederung der Nicht-Zykliker. Diese lassen sich untergliedern in Slow Grower, Average Grower und Fast Grower.

1) Slow Grower nach Peter Lynch

Das sind alle Aktien, deren langfristiges und nachhaltiges Gewinnwachstum unter dem Wachstum der Weltwirtschaft liegen. Also unter 3 %. Da die Umsätze und Gewinne nur noch sehr langsam wachsen, gleicht das Unternehmen mehr einer Anleihe. Es muss darüber hinaus auch kaum noch in die Erweiterung des Geschäfts investiert werden, da das Unternehmen einen mehr oder weniger gesättigten Markt bedient. Das Unternehmen ist eine sogenannte "Cashcow".

Da das Unternehmen kaum rentable Investitionsmöglichkeiten findet, kann es auch problemlos den Großteil seiner Gewinne an die Aktionäre ausschütten. Daher haben diese Slow-Grower typischerweise auch sehr hohe Dividendenrenditen. Investoren, die auf Rendite aus sind, gehen daher mit dieser Kategorie von Aktien wie folgt vor:

Gekauft wird immer dann, wenn die Bewertung gerade deutlich unter dem eigenen historischen Schnitt liegt. Dadurch ist die Dividendenrendite zu diesem Zeitpunkt auch weit überdurchschnittlich. Sobald das Bewertungsniveau wieder den langfristigen Durchschnitt erreicht, oder diesen gar übersteigt, sollte die Aktie wieder verkauft werden. Denn durch das geringe Gewinnwachstum ist der Werttreiber Gewinnwachstum bei diesen Unternehmen praktisch nicht vorhanden. Das freigesetzte Geld wird dann in das nächste Unternehmen dieser Kategorie investiert, das im Vergleich zu seinem historischen Durchschnitt wiederum unterbewertet ist. So wiederholt sich der Zyklus, und es werden die Werttreiber Dividende während der Haltedauer und Bewertungsanstieg genutzt.

ProSiebenSat.1 Media SE ist ein typischer Slow Grower

Beispiele für diese Art von Unternehmen sind wohl Innogy oder ProSiebenSat1. Generell ist derzeit von dieser Kategorie von Unternehmen aber abzuraten, da kaum ein Unternehmen unter seinem historischen Schnitt bewertet ist.

Grund dafür ist, dass viele Investoren diese Unternehmen derzeit als Anleihenersatz benutzen, weil die Dividendenrenditen so hoch sind und die Anleihezinsen so niedrig. Durch diese künstliche Nachfrage wird der Marktverzerrt. Die Bewertungen sind stark angestiegen.

Sobald die Renditen auf Anleihen wieder steigen, verkaufen diese Investoren ihre Aktien dieser Art wieder und investieren das Geld lieber wieder in Anleihen. Das würde dann zu sinkenden Kursen führen.

Es muss bei Slow Grower-Aktien streng darauf geachtet werden, dass die aktuell erzielten Gewinne auch in Zukunft nachhaltig erzielt werden können. Sonst ist die Bewertung ja gar nicht günstiger. Daher haben wir Investoren bei dieser Aktie nun die Aufgabe, eben diese Frage zu recherchieren.

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2) Average Grower nach Peter Lynch

Diese Unternehmen können ihre Gewinne jährlich schon mit einer Rate von ca. 3 % - 10 % steigern. Mögliche Gründe dafür sind ein wachsender Markt, die Erschließung neuer Länder, die Einführung neuer Produkte, Gewinnung von Marktanteilen oder die Fähigkeit, dauerhafte Preiserhöhungen durchsetzen zu können. Da diese Unternehmen mittelschnell wachsen, brauchen sie üblicherweise einen Teil ihrer Gewinne, um diese im Unternehmen zu reinvestieren. Daher ist die Dividendenrendite auch einen Tick niedriger als bei den Slow-Grower, aber dafür steigt die Dividende von Jahr zu Jahr auch mit einer viel höheren Rate.

Da die Gewinne dieser Unternehmen immer noch nicht so schnell wachsen, sollte beim Kauf nach wie vor stark auf die aktuelle Bewertung im Vergleich zum historischen Durchschnitt geachtet werden. Denn wer eine solche Aktie zu einem KGV von 20 einkauft, obwohl das historische KGV bei 10 lag, muss 10 Jahre Gewinnwachstum a 7 % abwarten, bis die Gewinne sich verdoppelt haben und die Bewertung so ohne Kursveränderung wieder bei einem KGV von 10 liegt.

Verkauft werden müssen diese Aktien aber nicht mehr unbedingt. Denn das Gewinnwachstum von 3-10 % ist ein schöner Werttreiber für nachhaltigen Vermögensaufbau. Dazu kommt ja noch die Dividendenrendite. Man kann als Investor seiner Rendite aber dadurch steigen, dass man die Aktien dieser Kategorie verkauft, deren Bewertung weit über dem historischen Durchschnitt liegt, um dann davon Aktien derselben Kategorie zu kaufen, deren Bewertung entsprechend unter dem historischen Schnitt liegt. So kann zusätzlich noch der Werttreiber Bewertungsänderung mitgenommen werden.

In der Praxis sprechen aber zwei Dinge gegen ein solches Vorgehen: Erstens müssen Steuern auf realisierte Kursgewinne bezahlt werden, sodass entsprechend weniger Kapital in die Folgeanlage gesteckt werden kann. Zweitens finden sich in der Praxis kaum Beispiele, bei denen ein Average Grower stark unterbewertet ist und ein anderer sehr teuer.

Henkel Logo Henkel Logo

Ein Beispiel für eine Aktie dieser Kategorie ist Henkel. Die Gewinne können Jahr für Jahr deutlich gesteigert werden. Aktuell ist die Bewertung der Stammaktien mit einem KGV von rund 15 in etwa auf dem historischen Schnitt der letzten Jahre. Wer als Investor jetzt einsteigt, kann sich langfristig auf eine Rendite in Höhe des jährlichen Gewinnwachstums plus der Dividendenrendite freuen, sodass insgesamt rund 10 % Rendite jedes Jahr drin sind (siehe dazu auch meine aktuelle Henkel-Analyse). Diese Aktien eigenen sich also hervorragend für Buy-and-Hold-Investoren!

Der größte Fehler, den man mit diesen Aktien machen kann, ist wie bereits angedeutet, diese zu einer im historischen Schnitt viel zu hohen Bewertung zu kaufen.

3) Fast Grower nach Peter Lynch

Diese Unternehmen steigern ihre Umsätze und Gewinne in rasantem Tempo, also mit mehr als 10 % jährlich, gerne aber auch mit mehr als 20 % und mehr. Da das Geschäft schnell ausgebaut werden muss, werden meist alle oder ein Großteil der Gewinne einbehalten und wenn überhaupt eine sehr geringe Dividende ausbezahlt.

Das größte Risiko für Investoren bei dieser Kategorie von Aktie ist es, dass sich das Wachstum des Unternehmens verlangsamt. Das ist in 2016 bei Novo Nordisk geschehen. In Folge dessen bekommt die Aktie nun eine deutlich geringer Bewertung zugestanden, weil die künftigen Wachstumsaussichten geringer eingeschätzt werden. Novo Nordisk ist also vom Fast Grower zum Average Grower geworden.

Alphabet ist ein typischer Fast-Grower

Deshalb hat das Unternehmen nun eine neue, geringe Bewertung bekommen, weil es künftig nicht mehr gelingen dürfte, die Gewinne so schnell zu steigern als noch vor einem Jahr erwartet. Um diesen teuren Fehler zu vermeiden, müssen wir Investoren uns bei dieser Art von Aktie also darauf konzentrieren, ob das nachhaltige Umsatz- und Gewinnwachstum auch in Zukunft in ähnlicher Höhe intakt bleiben dürfte.

Wenn ja, dann macht diese Kategorie von Aktien besonders viel Freude. Es ist nicht einmal wichtig, ob die aktuelle Bewertung über dem historischen Schnitt liegt. Denn bei 5 Jahren Gewinnwachstum von 20 % jährlich ist der Gewinn nach 5 Jahren bei 248 % vom Ausgangswert. Selbst wenn ein Investor beim Kauf 20 % mehr als im historischen Schnitt bezahlt, überstrahlt der Werttreiber Gewinnwachstum den Werttreiber Bewertungsänderung bei Weitem.

Diese Unternehmen sollten also so früh wie möglich aufgespürt werden, damit die Wachstumsphase über möglichst viele Jahre begleitet werden kann. Diese Aktien bieten uns Investoren die Chance, unser Kapital innerhalb einiger Jahre zu vervielfachen und auch zu verzehnfachen. Ein Verzehnfacher ist ein sogenannter "Tenbagger".

Die Strategie lautet wie folgt: Früh entdecken, investieren, drin bleiben, vom Zinseszins profitieren, darauf aufpassen, dass sich das langfristige Wachstum nicht stark verringern wird. Wenn nicht, weiter halten. Mit dieser Kategorie von Aktien hat Lynch für seine Fondsinvestoren eine Menge Geld verdient.

Starbucks ist ein typischer Fast-Grower

Ein Beispiel für diese Kategorie von Aktien ist Alphabet. Seit 2005 konnte sich die Aktie von unter 100 USD auf über 1.000 USD binnen 12 Jahren mehr als verzehnfachen. Weil eben Umsätze und Gewinne derart rasant wachsen, kann auch der Börsenwert über die Jahre so stark zulegen. Starbucks fällt für mich ebenfalls unter diese Kategorie.

Zykliker nach Peter Lynch

Zykliker zeichnen sich dadurch aus, dass die Gewinne eben nicht wie auf Schienen nach oben fahren, sondern einem stetigen Auf und Ab gleichen. Denn die Unternehmen dieser Kategorie sind abhängig von unterschiedlichsten äußeren Faktoren: Konjunktur, Rohstoffpreise usw. Daher kommt es zu starken Gewinnschwankungen.

Wenn ein Unternehmen wie Shell mit teuren Ölplattformen und Mitarbeitern Öl fördert und dieses dann verkauft, hängt der Gewinn total am Ölpreis. Steigt dieser, steigen nicht mal die Förderkosten. Der Gewinn explodiert. Sinkt der Ölpreis, muss das Unternehmen fast ums Überleben kämpfen. Daher sollten diese Unternehmen immer mit ordentlich Eigenkapital arbeiten, um schlechte Jahre puffern zu können. Investoren sollten sich nicht zu viele Unternehmen mit dem gleichen Risiko ins Depot holen, um nicht von einzelnen Faktoren zu abhängig zu werden. Es gibt zwei Unterkategorien:

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1) Typische Zykliker nach Peter Lynch

Die Umsätze und Gewinne schwanken mit dem Zyklus Auf und Ab. Die Gewinnmarge schwankt langfristig in einem Band hin und her. Daher sollten diese Unternehmen dann gekauft werden, wenn das Tief erreicht ist. Wenn es besonders geringe Erträge abwirft. Oft ist das KGV dann sehr hoch oder gar negativ, weil das Unternehmen Verluste schreibt. Das ist aber ein gutes Signal. Es zeigt, dass sich der Zyklus dem Tief nähert. Viele kurzfristig denkende Kapitalanleger verstehen gar nicht, dass dieses Unternehmen ein Zykliker ist, verlieren angesichts der geringen Erträge oder Verluste das Vertrauen und verkaufen das jeweilige Unternehmen. Der Kurs sinkt rapide ab. Es ist Zeit, einzusteigen!

Sobald die Gewinne wieder massiv anziehen und die Gewinnmarge sich dem langfristigen Höchstwert annähert, sollten die Aktien mit deutlichen Gewinnen wieder verkauft werden. Denn der nächste Schweinezyklus kommt bestimmt. Das Eigenartige an Zyklikern ist also, dass sie dann teuer sind, wenn sie auf Basis des KGV gerade günstig wirken und vice versa.

Beispielsunternehmen sind Daimler und die Deutsche Lufthansa. In einer Konjunkturkrise verdienen beide kaum noch Geld und die Aktien sinken ab. Dann ist es Zeit zu kaufen. Laufen die Geschäfte prächtig, und der Aktienkurs ist stark gestiegen, ist die Zeit gekommen auszusteigen, obwohl das aktuelle KGV niedrig sein mag. Denn im nächsten Downzyklus sinken die Gewinne derart heftig, dass das KGV explodiert.

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2) Turnaround-Spekulationen nach Peter Lynch

Eine noch heftigere Kategorie dieser Aktien sind Turnaround-Spekulationen. Diese Unternehmen haben ein derart heftiges zyklisches Tief erlebt, sodass sie massive Verluste schreiben mussten. Das Eigenkapital ist oft fast vollständig aufgezehrt. Der Markt glaubt nicht mehr richtig an ein Fortbestehen des Unternehmens. Es finden Panikverkäufe statt, die den Kurs auf das Extremste nach unten treiben.

Die Folge: Im Vergleich zu den historischen Gewinnen ist die aktuelle Marktkapitalisierung lächerlich niedrig. ArcelorMittal, der weltgrößte Stahlhersteller, hatte Anfang 2016 eine Marktkapitalisierung von ca. 5.000 Mio. EUR, konnte 2007 aber einen Jahresgewinn von 10.000 Mio. EUR erwirtschaften. Das ganze Unternehmen war also gerade noch den halben Jahresgewinn von 2007 wert. Daher sollte man als Investor einen ganzen Korb dieser Art von Aktien zum Ausverkaufspreis kaufen, und dann auf eine zyklische Erholung setzen. Zwar werden einige der Unternehmen tatsächlich pleite gehen, aber die anderen vervielfachen sich in der Erholungsbewegung derart heftig, dass sie die Verluste bei Weitem übersteigen!

Investoren, die in 2009 alle Aktien der DAX-Familie mit einem temporären Kurs unter 1 EUR gekauft haben, können diese Rechnung breit grinsend bestätigen. Denn es waren damals ProSiebenSat1, Infineon, Drillisch und die Hypo Real Estate. In jeder der vier Positionen 1.000 EUR gesteckt, hätte das Depot heute im Herbst 2017 und damit rund 9 Jahre später einen Wert von ca. 110.000 EUR und damit das 27-fache des eingesetzten Kapitals, obwohl Hypo Real Estate pleite gegangen ist. Eine Streuung ist deshalb wichtig, weil erst im Nachhinein klar ist, welche der Unternehmen tatsächlich überleben und ihre Investoren reichlich dafür belohnen. Diese Aktien ermöglichen also wie auch die Fast-Growers die höchsten Renditemöglichkeiten. Mit dieser Kategorie von Aktien hat Peter Lynch ebenfalls eine Menge Geld verdient.

Ich selbst verfolge mit einem kleinen Teil meines Kapitals ebenfalls die Strategie, Turnaround-Aktien zu kaufen. Derzeit gibt es kaum welche. Daher parke ich jeden Monat rund 100 EUR auf einem Konto und warte auf die nächste (Konjunktur-)Krise. Dann schlage ich zu.

Asset-Plays nach Peter Lynch

Und dann gibt es noch die sogenannten Asset-Plays. Das sind Unternehmen, die auf Werten sitzen, die derzeit nicht gehoben werden. Werte können Grundstücke, Marken, Patente, Beteiligungen usw. sein. Diese Aktien sollten daher dann gekauft werden, wenn die Werte im Kurs noch nicht berücksichtigt werden, weil sie aktuell noch nicht genutzt werden. Zugleich muss aber die Aussicht bestehen, dass die Werte in naher Zukunft gehoben werden können. Zum Beispiel durch einen Managementwechsel oder Eigentümerwechsel. Verkauft werden diese Aktien dann, wenn die Werte gehoben worden sind.

Die FCA (Fiat-Chrysler-Automotive) war ein solches Unternehmen. Weil das Kerngeschäft der Marken Fiat und Chrysler kaum Gewinne abwirft, war das Unternehmen an der Börse sehr gering bewertet. Als das Management bekanntgegeben hat, die Marke Ferrari an die Aktionäre abzuspalten, hat sich die Aktie um mehr als 100 % nach oben bewegt. Ferrari alleine ist hochprofitabel und sitzt auf einer wertvoller Marke.

Soviel zu den Werttreibern von Aktien und der Kategorisierung von Aktien nach Peter Lynch. Kolja Barghoorn hat auf seinem YouTube-Channel AktienMitKopf ein kurzes Video über die sechs Aktienkategorien nach Peter Lynch gemacht. Ich kann dir nur empfehlen, es dir direkt anzuschauen.

Allgemeine Gedanken zur Aktienbewertung nach Peter Lynch

  • Es kommt nicht so sehr auf den Gewinn des letzten Geschäftsjahres an, sondern auf den Gewinn des nächsten Geschäftsjahres. Klar steht der noch nicht zu 100 % fest. Aber die Börse schaut nun mal in die Zukunft, und nicht in den Rückspiegel. Entscheidend für den Wert einer Aktie sind alle zukünftigen Cashflows und nicht alle vergangenen. Schätzungen zu den erwarteten Gewinnen findet ihr auf der Desktop-Seite von finanzen.net nach Eingabe einer Aktie in der Suchmaske unter „Schätzungen“.
    Weitere mögliche Quellen: Unternehmensprognose, eigene Gedanken, lineare Fortschreibung der Vergangenheit (aber bevor man das macht, schon ein paar Gedanken machen...)
  • Wenn bei der Bewertung auf das aktuelle KGV im Vergleich zum historischen abgestellt wird, dann empfiehlt es sich natürlich, den nachhaltig zu erzielenden Gewinn als Basis zu verwenden. Es kommt manchmal vor, dass ein Geschäftsbereich abgespalten und verkauft wird was zu einem einmaligen Sonderertrag oder –verlust führen kann.
  • Noch ein paar Gedanken zu dem Begriff Zykliker: In Wirklichkeit ist die Welt natürlich nicht so schwarz/weiß, wie ich sie eben zur besseren Verständlichkeit dargestellt habe. Im Grunde genommen hat fast jedes Geschäftsmodell einen eigenen Zyklus. Entscheidend ist, wie abhängig das Unternehmen von dem jeweiligen Faktor ist. BASF zum Beispiel hat in 2009 immer noch 3,7 Mrd. EUR EBIT erzielt, während Daimler -1,5 Mrd. EUR verbuchen musste. Damit sind zwar sowohl BASF als auch Daimler Zykliker, aber als BASF-Aktionär hätte ich wohl trotzdem vergleichsweise gut geschlafen. Jeder sollte sich hier also seine eigene Grenze setzen.
  • Für Dividendeninvestoren, die eines Tages von ihren Dividendeneinnahmen leben wollen, machen Investments in stark abhängige Zykliker natürlich nicht so viel Sinn, da sie planbare und stabile Dividendeneinnahmen wünschen. Wenn ein Unternehmen zu abhängig von seinem Umfeld ist und in einem Jahr einen heftigen Verlust verbuchen muss, kann die Dividende unter Umständen nicht gehalten werden. Daher macht es für reinrassige Dividendeninvestoren mehr Sinn, sich auf der Seite der Nicht-Zykliker aufzuhalten. Zumindest aber seine Zykliker über verschiedene Zyklen zu streuen, die nicht zu gleichen Zeit ihr Tief erreichen. Also bspw. mit Deere den Agrarsektor abdecken, mit RWE den Energiesektor, mit Immobilienaktien den Immobiliensektor, mit BASF den Chemiesektor usw. Als Korb betrachtet sind die Dividenden dann schon viel stabiler, dann es unwahrscheinlich ist, dass gleichzeitig die Konjunktur schlecht läuft, die Agrarpreise tief sind, die Chemiepreise ebenfalls und die Zinsen dazu hoch. So gleichen sich die Zyklen innerhalb des Portfolios aus.
  • Lynch sagt: "Investieren ist eine Kunst und keine Wissenschaft". Wer NUR auf Zahlen schaut, hat große Nachteile. Ist ja auch logisch: Dann könnte jeder Computer Multimilliardär werden. Bei der Wahl eurer Partner schaut ihr ja auch nicht nur ein Körperteil an, sondern den ganzen Menschen inklusive Charakter und inneren Werten. So sollten wir Investoren auch bei unseren Unternehmen vorgehen. Die Produkte aus Kundensicht betrachten. Auf die Hauptversammlung fahren. Uns überlegen, ob wir den jeweiligen Managern unser hart erspartes Geld anvertrauen möchten. Klar ist es anstrengender, unser Gehirn zu benutzen. Aber es zahlt sich aus!

Privatinvestoren können institutionelle Investoren schlagen

Wie Lynch bin ich der Meinung, dass wir Privatinvestoren große Vorteile gegenüber den institutionellen Investoren haben. Diese können unser Geld nämlich nicht frei von Interessenskonflikten anlegen. Ein bekannter Wall-Street-Spruch lautet daher: „You'll never lose your job losing your client's money in IBM.“

Denn dann kann der Fondsmanager einfach sagen: „Was ist nur los mit IBM?“ Kauft er dagegen eine aussichtsreiche, kleine Firma, und es geht schief, dann werden die Kunden sagen: „Was ist nur los mit dir?“ Also handelt der Fondsmanager nicht immer im Interesse des Kunden, sondern aus Angstmotiven.

Nächstes Problem: Die Manager werden relativ zu ihrer Benchmark gemessen und bezahlt. Wenn ein Fonds den DAX als Benchmark hat, 10 % vorne liegt, aber die Benchmark 11 %, dann wird er alles in seinem Kopf mögliche tun, in diesem Quartal noch zur Benchmark aufzuschließen. Sei es durch kurzfristiges Trading in Derivaten oder hektisches Hin und Her, gut tut das der langfristigen Performance nicht.

Zum Jahresende kommt dann der Effekt des „Window Dressing“ hinzu. Schnell werden noch die Aktien rein gekauft, die im Jahresverlauf am meisten gestiegen sind. Denn dann kann der Fondsmanager am Jahresende stolz verkünden: „Ich habe die erfolgreichsten Aktien des Jahres im Fonds!“ Dumm nur, dass die Anleger von der Performance während des Jahres nichts abbekommen haben. Das waren einige Beispiele, um euch aufzuzeigen, dass „institutionell“ nicht immer Vorteile haben muss.

Und das wir Privatanleger gewaltige Vorteile haben! Wir sind nämlich frei. Können in unserem eigenen, besten langfristigen Interesse der ausschließlichen Wertsteigerung handeln.

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Fazit

In seinem Buch "One up on Wall Street" bzw. "Der Börse einen Schritt voraus" gibt uns Peter Lynch seine Anleitung zur erfolgreichen Aktienbewertung mit. Die zu bewertende Aktie wird anhand eines Schemas in eine von sechs Kategorien eingeteilt. Je nach Kategorie empfiehlt Lynch dann eine spezielle Anlagestrategie. Da Peter Lynch ohne Zweifel zu den erfolgreichsten Fondsmanagern aller Zeiten zählt, und das von ihm entworfene Schema einfach anzuwenden ist, baue ich in meine Aktienanalysen stets die Einordnung nach Peter Lynch mit ein.

Ich hoffe, du konntest ein paar meiner Gedanken mitnehmen und tust dich künftig bei der Bewertung deiner Aktien leichter.

Liebe Grüße,
Jonathan Neuscheler